Ob Cyber-Monday oder Weihnachtsgeschäft: Importeure von Bekleidung und sich schnell drehenden Konsumgütern rechnen in den kommenden Monaten nicht mit einer Einkaufswelle der Verbraucher. Die Lieferketten-Experten des Bochumer Softwarehauses Setlog beobachten seit Monaten, dass Händler weniger Produktionsaufträge als im Vorjahr bei ihren Lieferanten platzieren – im Schnitt sanken die Stückzahlbestellungen um 18 Prozent. Die trüben Umsatzaussichten werden zumindest durch niedrige Transportkosten etwas aufgehellt: Die Frachtraten für Seefrachtcontainer aus Fernost sind auf ein stabiles niedriges Niveau gefallen. So kostet der Transport eines 40-Fuß-Standard-Containers aus Asien an die Nordseehäfen je nach Relation unter 1.200 US-Dollar. Zum Vergleich: Während der Coronapandemie mussten Importeure bis zu 16.000 US-Dollar für den Transport einer Stahlbox bezahlen, auf dem Spotmarkt sogar bis zu 20.000 US-Dollar.
Doch nicht alle Händler hierzulande lassen sich über einen Kamm scheren: Setlog zufolge gibt es auch einige Firmen, die bis zu 15 Prozent mehr Ware als im Vorjahr bei ihren Lieferanten, die zum Großteil in Fernost sitzen, bestellten. Doch auch Ausreißer, die bis zu 35 Prozent geringere Bestellvolumen platzieren, können beobachtet werden. Das lässt sich aus einer Analyse von 80 Setlog-Kunden und Brands vom 3. August ablesen. Untersucht wurden die Stückzahlbestellungen in den Zeiträumen von 1. Januar bis 30. September der Jahre 2022 und 2023.
Setlog wertete auch die geographischen Veränderungen bei den Fashion-Importen aus: In Bangladesch werden beispielsweise annähernd die gleichen Stückzahlen bestellt wie im Vorjahreszeitraum. Lieferanten in Vietnam produzieren 2023 sogar etwas mehr. Verlierer ist hingegen China: Die Unternehmen ordern im Reich der Mitte Richtung Europa rund 3,5 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. „Die geopolitische Situation trägt dazu bei, dass Lieferanten in China tendenziell weniger Aufträge bekommen. Dagegen profitieren Zulieferer in Vietnam oder auch Indien“, betont Setlog-Vorstand Ralf Düster.
Der Lieferkettenexperte geht nicht davon aus, dass sich die Lage der Unternehmen hierzulande schlagartig ändern wird. „Die hohe Inflation, steigende Zinsen und die zuletzt schlechten Wirtschaftsprognosen des Internationalen Währungsfonds IWF lassen die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht in Einkaufseuphorie verfallen“, so Düster.
Die Ergebnisse vieler Importeure von Bekleidung, Spielwaren, Computern & Co. werden im zweiten Halbjahr dieses Jahres nicht nur durch eine geringere Nachfrage geschmälert, sondern auch durch höhere Preise im Einkauf. Bereits im Vorjahr beobachtete Setlog Preisanstiege zwischen acht und 15 Prozent in Asien und Südosteuropa inklusive der Türkei.
Dass die höheren Einkaufspreise für Produkte aus Fernost zu einer Welle von Produktionsverlagerungen von Fashion oder Haushaltsgeräten von Fernost nach Deutschland oder seine Nachbarländer führt, schließt Düster jedoch aus. „Die Produktions- und Lohnkosten sind in Deutschland und Europa noch höher als vor dem Krieg in der Ukraine. Ein Re- und Nearshoring ist für diese Branchen nicht zu erkennen“, betont Düster. Selbst Länder wie die Türkei, wo im Vergleich zu Deutschland günstiger produziert werden kann, hätten, zumindest im Fashion-Bereich, keine großen Zuwächse zu verzeichnen.
Die Entspannungen im Seefrachtmarkt haben für Importeure zumindest einen Vorteil: Sie können kurzfristiger als noch zu Coronazeiten ihre Bestellungen verändern. Denn verglichen mit den Jahren 2021 und 2022 werden die Container aus Fernost im Schnitt acht Tage früher an die Nordseehäfen transportiert. Auch deutlich pünktlichere Lieferungen durch verbesserte Planung sind zu erkennen. Durchschnittlich müssen die Unternehmen Setlog zufolge mit einer Laufzeit von 35,4 Tagen rechnen. Im Vergleich zur Zeit vor der Covid-19-Pandemie ist jedoch noch Luft nach oben. 2019 betrug die Transportzeit lediglich 31 Tage. Auch der Nachlauf, also die Transportzeit der Container von den Häfen zu den Lagern auf Schiene oder Straße, hat sich laut der Auswertung von Setlog verbessert: Er ging von durchschnittlich acht Tagen auf 5,7 Tage zurück.
Bild: Container mit Waren aus Fernost: Der Preis für den Transport eines 40-Fuß-Standard-Containers aus Asien an die Nordseehäfen ist je nach Relation auf unter 1.200 US-Dollar gefallen. Foto: Ian Taylor / unsplash
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