Heutzutage sind hohe Retourenquoten im Fashion E-Commerce von durchschnittlich 64% (pro Paket, in Deutschland [1]) der Standard, wobei die Weiterverarbeitung dieser Retouren häufig mit großem Aufwand und hohen Kosten einhergeht. In einer Umfrage zum Thema Retourenmanagement spiegeln insgesamt 60 Teilnehmer ihre Erfahrungen zu dem Thema wider, darunter 38% Händler und 62% Industrie. Diese wurde im Rahmen des Forschungsprojektes OptiRetouren* durchgeführt, um den Status quo des Retourenmanagements einzufangen und im nächsten Schritt neue Wege zu finden, um Retouren auf möglichst nachhaltige Art und Weise weiterzuverarbeiten. 76% der Teilnehmer gaben dabei an, dass sie ihre Ware ausschließlich über Marktplätze wie Amazon, Zalando oder AboutYou anbieten, wobei Lagerung, Versand, Kommissionierung und die Verarbeitung von Rückgaben am häufigsten im Rahmen des Fulfillments in Anspruch genommen werden.
Kernaussagen der Befragung
Die Weiterverarbeitung und erneute Verwertung von Retouren ist für die Unternehmen nach wie vor mit einem enormen Aufwand und hohen Kosten verbunden, die sich laut dieser Umfrage im Rahmen von 5 € bis 20 € pro Einzelretoure bewegen. Diese Kosten werden in seltensten Fällen an den Kunden weitergegeben, lediglich 6% der Unternehmen gaben an, Gebühren für die Rücksendungen zu erheben. Passend dazu stimmt die Mehrheit (55%) der Teilnehmer der Aussage zu, dass ihr Retourenprozess kundenfreundlich gestaltet ist, 20% sehen ihren Retourenprozess als weder besonders kundenfreundlich noch kundenunfreundlich an. Auch das Beilegen eines Retourenlabels mit der Warensendung trägt hierzu bei, was 60% der Teilnehmer so handhaben.
Neben der Kundenfreundlichkeit entwickelt sich die Ressourcenschonung und Abfallvermeidung zu einem zunehmend relevanten Thema. Dies ist vor allem im Bereich Fashion der Fall, denn in Deutschland machen Fashion-Retouren 83% aller retournierten Sendungen und sogar 91% aller retournierten Artikel aus [1]. Die Vernichtung von Ware sowie der zusätzliche Transport hat enorme Auswirkungen auf die Umwelt. Trotz der mit der Weiterverarbeitung verbundenen Kosten geben 89% der Teilnehmer an, dass sie Retouren im Sinne eines erneuten Versandes weiterverarbeiten. Dennoch wird von 25% der Unternehmen eine Vernichtung der Ware als eine der Optionen, die das Unternehmen nutzt, um mit Retouren umzugehen, angegeben. Die Weiterverwertungsquote (bedeutet in diesem Fall, dass die Ware nicht der Vernichtung zugeführt wird) einzelner Produktkategorien kann sehr unterschiedlich sein. Anzüge, Sakkos und Hemden haben die höchste Weiterverwertungsquote, während Schuhe und Umstandsmode unterdurchschnittlich abschneiden. Die durchschnittliche Weiterverwertungsquote über alle Produktkategorien hinweg liegt gemäß dieser Umfrage bei 76%, was erneut den Bedarf zur Verbesserung des Retourenprozesses im Sinne der Ressourcenschonung aufzeigt
Ansätze, um die Auswirkung von Retouren auf die Umwelt einzudämmen, lassen sich grundsätzlich in zwei Kategorien einordnen: Retourenvermeidung, oder die Verbesserung der Handhabung von Retouren, um eine bestmögliche Verarbeitung, auch im Sinne der Nachhaltigkeit, zu gewährleisten.
Unabhängig davon, welchen Ansatz man wählt, ist es wichtig, sich einen Überblick über die Retourensituation seines Unternehmens zu verschaffen. Dies tun die befragten Unternehmen grundsätzlich, wenn auch in ausbaufähigem Maße. 80% der Unternehmen erheben Retourengründe, wie unter anderem Falsche Produktgröße, Ware defekt, abweichende Beschreibung der Ware sowie Fehlkauf.
Alle antwortenden Teilnehmer nutzen außerdem eine interne Analytics-Lösung, 50% verwenden zusätzlich auch die Lösung, die der jeweilig genutzte Marktplatz anbietet. Das volle Potenzial der möglichen Analysen scheint hierbei jedoch nicht ausgeschöpft zu werden – lediglich 14% der Unternehmen ermitteln Retourenwahrscheinlichkeiten in Abhängigkeit des Warenkorbinhalts. Es sind immerhin 36% der Unternehmen, welche eine Retourenhistorie auf Kundenbasis führen, allerdings leiten auch hier lediglich 7% eine daraus resultierende Retourenwahrscheinlichkeit ab. Ganze 64% geben an, den Retourenprozess im Rahmen von Initiativen, Projekten oder Prozessveränderungen in ihrem Unternehmen angehen zu wollen, was für ein starkes Bewusstsein für die Potenziale von Vorhersagen und Prozessoptimierungen spricht.
Das Forschungsprojekt OptiRetouren widmet sich der Vorhersage von Retouren basierend auf Produkteigenschaften, Kaufverhalten, Warenkorbinhalten, Preisstrategie sowie saisonabhängigen und sonstigen Schwankungen. Ziel ist es, ein KI-basiertes Empfehlungssystem zu entwickeln, um den Zeitpunkt und die Wahrscheinlichkeit einer potenziellen Retoure zu bestimmen und wahrscheinlichste Retourengründe auszumachen. Diese dienen als Grundlage für die Optimierung der Rücksendelogistik und dem Aussprechen von Empfehlungen zur bestmöglichen Weiterverwertung der Ware. So soll das System auch kleinen Unternehmen die Möglichkeit bieten, besser mit nicht vermeidbaren Retouren umzugehen und die Weiterverwertung ökonomisch tragbar zu machen.
* Folgende Partner sind am Projekt beteiligt:
INTEX EDV Software GmbH,
August-Wilhelm Scheer Institut für digitale Produkte und Prozesse gGmbH,
HAIX Schuhe Produktions & Vertriebs GmbH,
hachmeister + partner GmbH & Co. KG
OptiRetouren ist gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (Förderkennzeichen 01IS22046B)
Mehr Informationen zum Forschungsprojekt finden sie unter: https://www.aws-institut.de/research/optiretouren/