Die Konjunkturzahlen des Jahres 2022 sind im Vorjahresvergleich überwiegend positiv. Allerdings haben die Coronakrise und der Ukraine-Krieg die Branche stark belastet: Die Rohstoffpreise und die Energiekosten sind massiv gestiegen. Auch Logistik, Inflation, steigende Zinsen und Verfügbarkeiten hatten teils massive finanzielle Auswirkungen.
Zwar stiegen die Umsätze über sämtliche Teilsegmente hinweg, aber den nominalen Umsatzsteigerungen stehen die extremen Kostensteigerungen gegenüber. Dadurch kamen die Renditen stark unter Druck, insbesondere im Textilsegment. Die Bedeutung der Auslandsmärkte steigt weiterhin.
Die Exporte und die Umsätze mit dem Ausland haben wesentlich zu den positiven Zahlen des Jahres 2022 beigetragen. Der Ukraine-Krieg brachte weitere Verwerfungen, die die Einschätzungen und Perspektiven der Unternehmen weiter eintrübten. Die Unternehmen bauen aktuell nur zögerlich Personal auf. Am aktuellen Rand zeigen sich die Unternehmen wieder etwas optimistischer, allerdings ist das Konjunkturklima noch nicht auf Vorkrisenniveau.
Das Jahr 2022 im Einzelnen:
Umsatz
Insgesamt schließt das Jahr 2022 mit einem Umsatzplus von +11,7 % ab. Textil legte um +7,7 %, Bekleidung sogar um +19,4 % zu. Dabei handelt es sich jedoch um den nominalen Zuwachs. Aufgrund der hohen Inflation lag die reale und saisonbereinigte Steigerung für Bekleidung bei etwa +12,0 %. Bei Textil hingegen sank der reale Umsatz aufgrund der starken Betroffenheit von Energiekostensteigerungen und Rohstoffknappheiten um etwa -6,0 %.
Die Segmententwicklung
Bei Textil sind sämtliche Segmente im Plus. Die technischen Textilien und die Vliesstoffe haben absolut und relativ stark zugelegt. Auch Teppiche und Wirk-/Strickwaren haben ihre Umsätze im Vorjahresvergleich klar ausbauen können. Kaum Veränderung gab es bei den konfektionierten Textilwaren nach den in den Corona-Jahren relativ deutlichen Zuwächsen bei den Heimtextilien. Das Teppich-Segment verzeichnete nach den zuletzt deutlichen Verlusten wieder ein Plus.
Im Bekleidungssegment können nahezu sämtliche Teilsegmente nach den Krisenjahren wieder deutlich Umsatz hinzugewinnen. Allein im stärksten Teilsegment, der sonstigen Oberbekleidung, gab es ein Plus von knapp +25,0 %. Im Vergleich dazu fiel die Steigerung bei den Strumpfwaren mit +2,4 % eher gering aus.
Die Umsatzsteigerungen werden maßgeblich von der Nachfrage im Ausland getragen. Das zeigt die Übersicht zur Zielregion der Umsätze. Dies gilt wie schon in den Vorjahren im besonderen Maße für Bekleidung, wo insbesondere der Umsatz mit dem Ausland außerhalb der EU um ein Drittel zulegt. Bei Textil sind die Steigerungen nicht ganz so hoch, aber das Gewicht des Auslandsumsatzes ist auch hier um ein Vielfaches höher. Insgesamt steigt damit die Bedeutung der ausländischen Absatzmärkte sowohl für Textil als auch Bekleidung weiter an.
Die Beschäftigtenzahlen waren bereits unmittelbar vor der Corona-Krise rückläufig. In den Jahren 2020 und 2021 sanken die Zahlen weiter deutlich. Im vergangenen Jahr 2022 konnte nun – auf niedrigem Niveau – die Beschäftigtenzahl stabilisiert werden: Die Anzahl der Beschäftigten stieg leicht, sowohl bei Textil (+0,1 %) als auch bei Bekleidung (+0,5 %). Insgesamt stieg die Beschäftigung im Jahresdurchschnitt damit um +0,2 % an.
Die geleisteten Arbeitsstunden sinken demgegenüber leicht um -0,3 % im Jahresdurchschnitt: Dabei gehen die geleisteten Arbeitsstunden bei Textil um -0,7 % zurück, während sie bei Bekleidung um +0,6 % gestiegen sind. Die Lohn- und Gehaltssummen hingegen steigen demgegenüber vergleichsweise deutlich um +5,3 % an (Textil +4,3 %, Bekleidung +7,5 %).
Produktion
Die inländische Produktion1) entwickelte sich in den Segmenten unterschiedlich: Während Textil im Gesamtjahr 2022 -7,1 % weniger Produktion meldete, legte Bekleidung im selben Zeitraum um +9,9 % zu, allerdings von einem durch Corona bedingten sehr niedrigen Niveau aus.
Preise
Die Beschaffungspreise für Rohstoffe haben nach den beispiellosen Steigerungen des Jahres 2021 auch im abgelaufenen Jahr 2022 weiter mit zweistelligen Raten zugelegt. Besonders stark fielen die Zuwächse beim Gaspreis aus. Aber auch die wichtigsten Vorprodukte für textile Rohstoffe wie Kunststoffe und Chemiefasern wuchsen weiter deutlich und liegen auf Rekordniveau.
Demgegenüber sind die Erzeugerpreisindizes (Verkaufspreise Inlandsabsatz) für Textilien und Bekleidung nur unterproportional gestiegen: Textil +11,3 %, Bekleidung +3,7 %.
Verkaufspreise
Textil +11,3 %
Bekleidung +3,7 %
Beschaffungspreise (2022 ggü. 2021)
Farbstoffe +19,1 %
Kunststoffe, in Primärformen +23,6 %
Chemiefasern +23,8 %
Elektrischer Strom +16,1 %
Gas (Industriekunden) +162,8 %
Einzelhandel
Einzelhandel Umsatzveränderung 2022
Bekleidungseinzelhandel +31,1 %
gesamter Einzelhandel +7,9 %
Die Umsätze des Bekleidungseinzelhandels steigen aufgrund des Basiseffekts sehr deutlich an: Aufgrund der Lockdown-Maßnahmen war die Umsatzvorgabe aus den ersten Monaten 2021 extrem niedrig. Seit Mitte 2022 stagniert der Umsatz sowohl stationär als auch online.
Die geglätteten Daten der letzten Jahre zeigen, dass der Versandhandel stark von den Coronamaßnahmen profitiert hat. Dennoch konnten die beispiellosen Verluste im stationären Einzelhandel nur sehr zögerlich ausgeglichen werden.
Außenhandel
Die Exporte 2022 haben sich positiv entwickelt. Insgesamt stiegen die Ausfuhren um +7,4 %. Die EU konnte als wichtigste Exportregion weiter zulegen. China gehörte zu den Ländern mit rückläufigen Exportvolumen, was wesentlich durch die wenig wettbewerbsfähigen Preise im Vergleich mit Ostasien im vergangenen Jahr begründet ist. In die USA und die Türkei wurde mehr exportiert, auch nach Großbritannien wurde wieder mehr ausgeführt. Einziger Verlierer von Gewicht war – neben China – Russland.
Bei den Importen ist das Volumen aus der EU hingegen rückläufig gewesen. Das gilt für die EU insgesamt genau wie für wichtige Importländer, insbesondere Italien. Der Brexit macht sich bei den Importen aus UK sehr stark bemerkbar, allerdings ist das absolute Volumen eher weniger bedeutend. Deutschland importierte mehr aus den klassischen Importländern wie China und Bangladesch, aber auch andere Länder aus der südostasiatischen Region wie Vietnam, Kambodscha oder Myanmar legten teils deutlich zu.
Insgesamt steigen die Textilimporte um +4,1 %, die Importe von Bekleidung steigen sogar um +22,0 %. Die Importe als Ganzes erhöhen sich damit um +17,2 %.
Kurzfristige Perspektiven
Die Umfrage des Gesamtverbandes textil+mode zum Anfang des Jahres 2023 zeigt, dass sich die Lageeinschätzung und die kurzfristigen Erwartungen verschlechtert haben. Allerdings wurde die Vorjahresumfrage vor der Ukraine-Invasion abgeschlossen. Dennoch kann insbesondere bei Textil nicht davon ausgegangen werden, dass die Krise bereits überwunden ist, da die Unternehmen die Situation eher etwas schlechter im Vergleich zum Vorkrisenniveau einschätzen. Bei Bekleidung waren die Belastungen durch Corona sehr groß, der Schwung der nachfolgenden Erholung ist jedoch unterbrochen.
Der ifo–Geschäftsklimaindex hat sich für Textil in Folge des Ukraine-Krieges bis September tendenziell verschlechtert und sich seitdem wieder etwas erholt. Bei Bekleidung verlief die Einschätzung des Konjunkturklimas ähnlich. Insgesamt waren und sind die Bekleidungsunternehmen etwas positiver und zuversichtlicher gestimmt als die Textilunternehmen. Durch die stärkere Verflechtung mit anderen Industriebranchen ist bei Textil der Verlauf der Einschätzungen ähnlich zu dem der Industrieunternehmen insgesamt.
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