High-Tech-Textilien 2008
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Am 15. April 2008 tagten Experten der Textilbranche in Stuttgart, um sich über »Energieeinsparung
durch textile Komponenten und Prozesse« auszutauschen. Noch nie war das Thema Energie so aktuell, deren Komplexität so deutlich wie heute. Längst ist erkannt, dass es keinen Königsweg bei der Einsparung von Energie gibt. Die 2005 ins Leben gerufene Veranstaltungsreihe »High-Tech-Textilien« konnte dabei aufzeigen, dass nur ein interdisziplinäres Denken und Handeln dazu führt, mit den bereits vorhandenen und neu entstehenden Innovationen Lösungen zu erzielen.

Das diesjährige Thema sprach daher die unterschiedlichsten Branchen an und suchte ganz bewusst den Austausch. »Wir wollten aufzeigen, wo High-Tech-Textilien schon heute einen Beitrag leisten und künftig leisten könnten und wollten deshalb den branchenübergreifenden Dialog forcieren«, betont Veranstalterin Petra Knecht, Inhaberin der petra knecht Kommunikationsberatung. Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen der Wirtschaft, Industrie, Forschung sowie Politik kamen in der vergangenen Woche ins Haus der Wirtschaft in Stuttgart, um gemeinsam über das Thema zu diskutieren.


Das Thema ist komplex und die Botschaft deutlich: »Wenn die Klimaschutzziele der Bundesregierung erreicht werden sollen, muss die Industrie eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz umsetzen«. Dr. Michael Schlesinger, Direktor der Prognos AG in Basel, stellte im Einführungsvortrag die wesentlichen Kernpunkte der Energieszenarien für den Energiegipfel 2007 vor. Zentraler Punkt ist die Reduzierung der CO2-Emissionen.

Einen Ansatzpunkt für erhebliche Einsparungen sieht Dr. Wilhelm Rauch, Geschäftsführer der Industrievereinigung Chemiefaser e.V., darin, Europa als Produktionsstandort wieder attraktiver zu gestalten. »Derzeit kommen 90 Prozent der Bekleidungstextilien aus Fernost. Vom Rohstoff bis zum Fertigprodukt werden ca. 19.000 km zurückgelegt. Ein Kleidungsstück, das in Europa gefertigt wird, legt dagegen nur 2.000 km zurück. Entsprechend geringer sind die CO2-Emissionen«.

Technische Textilien gelten als Nischenprodukt und werden weitgehend in Europa gefertigt. Sie helfen schon jetzt, Ressourcen zu schonen und Energiekosten zu senken. Selten sind sie augenscheinlich, meistens absolvieren sie ihre Leistungen im Verborgenen. Bei Windrädern, im Automobil, oder in der Luftfahrt haben die Faserverbundwerkstoffe dank ihrer Leichtigkeit und Festigkeit schon längst den Sieg gegenüber Stahl errungen. Der neue Airbus A350 besteht z.B. schon zu 50% aus diesem hoch innovativen Carbonfaser-Material. Und in der Automobilindustrie werben die Hersteller gerne mit dem gesenkten, niedrigeren Benzinverbrauch. Selten weiß der Verbraucher dabei, dass dies ebenfalls dem Einsatz von Technischen Textilien zu verdanken ist.

Ob zur Isolation, als Dichtungen oder zur Wärmedämmung, überall tragen Technische Textilien dazu bei, Energie einzusparen. Neue funktionelle Textilien entstehen, die wesentlich verbesserte Eigenschaften bieten, in der Herstellung aber erheblich sparsamer im Wasser-, Strom- bzw. Ressourcenverbrauch sind, als annähernd vergleichbare Produkte. Den ihnen gebührenden Stellenwert in der Öffentlichkeit haben Technische Textilien dennoch noch nicht erreicht. Hier ist ein branchenübergreifender Dialog gefragt, um Technischen Textilien fest in die Köpfe z.B. von Entwicklungsingenieuren aber auch Produktionsmanagern zu verankern, um so ganz neue Chancen und Möglichkeiten entstehen zu lassen. Denn Textilien haben schon lange nicht mehr nur ausschließlich etwas mit Mode zu tun. »Mit der Veranstaltung ist uns sicher ein weiterer wichtiger Schritt in die neue interdisziplinäre Richtung beim Umgang mit Technischen Textilien gelungen«, so das Fazit des Veranstalters.

Technische Textilien sind ein Wachstumsmarkt. In den letzten vier Jahren wurde der Anteil am Gesamttextilumsatz von 45 auf fast 50 % gesteigert. Deutschland hat auf dem Gebiet weltweit eine Spitzenstellung und das Land Baden-Württemberg steht als Standort der Textilindustrie bundesweit an zweiter Stelle. Wirtschaftsminister Ernst Pfister hob in seinem Grußwort darauf ab, dass die Möglichkeiten Energie einzusparen, noch nicht ausgeschöpft sind. »Die Fachtagung High-Tech-Textilen 2008 macht deutlich, dass die baden-württembergische Textilindustrie mit ihren Produkten aus dem Werkstoff Textil zur Lösung vielfältiger Probleme und zur Zukunftssicherung beitragen wird«.

Einen wichtigen Beitrag dazu leisten die Forschungsinstitute. Dr. Reinhold Schneider am Institut für Textilchemie und Chemiefasern in Denkendorf machte deutlich, dass Energie und Wasser durch eine Verbesserung der Herstellungsprozesse gespart werden könne. Er stellte ein neues Messgerät vor, einen Tauchsensor, der hilft, künftig bis zu 60 Prozent Energie und 70 Prozent Wasser einzusparen. Dr. Thomas Stegmaier am Institut für Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf zeigte am Beispiel einer Zusammenarbeit mit der Brückner Trockentechnik GmbH & Co. KG in Leonberg auf, wie durch Wärmerückgewinnung am Spannrahmen Einsparpotentiale bestehen, die sich nach knapp zwei Jahren amortisieren.

Holger Purol, Leiter des Kompetenzzentrums Faserverbundstoffe am Faserinstitut in Bremen, beschäftigt sich mit der Entwicklung von Mobiltextilien, die gegenüber Stahl und Aluminium in Bezug auf Leichtigkeit und Formbarkeit enorme Vorteile bieten. »Entsprechend wird der Anteil von Faserverbundwerkstoffen beim Flugzeugbau in den nächsten Jahren steigen. Von heute 20 % beim Airbus 380 bis 40 % beim Airbus 350 im Jahr 2012«. Da die Verarbeitung technologisch hoch anspruchsvoll ist, sind kostengünstige Automatisierungsprozesse das nächste Ziel der Forschungsarbeit. Davon profitieren wird auch die Automobilbranche. Experten rechnen damit, dass in fünf bis acht Jahren der Anteil an Textilien im Fahrzeug von derzeit 22-25 kg auf 32-25 kg steigen und so zur CO2-Minimierung beitragen wird.

Phase Chance Materials, kurz PCM genannt – als Wärmespeicher bei der Luft-und Raumfahrt erprobt – haben Einzug in die Bekleidung gehalten und sollen nun auch zur Wärmedämmung im Hausbau beitragen. Dr. Barbara Pause, Geschäftsführerin von Textile Testing & Innovation in Colorado/USA, konnte an Ergebnissen durch Modellgebäude in USA und Deutschland aufzeigen, dass durch den Einbau von PCM-Matten im Dach die Energieeffizienz des Gebäudes erhöht und das Innenraumklima in Dachwohnungen – insbesondere in der heißen Jahreszeit – erheblich verbessert wird.


Dr. Rolf Machatschke, Geschäftsführer der HKO Isolier und Textiltechnik GmbH in Oberhausen, ist Produzent von Hochtemperaturtextilien. Er stellte Produkte vor, die bereits jetzt zur Energieeinsparung beitragen - im Ofen- und Heizungsbau, bei der Isolation von Gas- und Dampfturbinen sowie der Abgasstrangisolierung im Fahrzeugbau zur Reduzierung der Treibstoffeinspritzung.

Nanotechnologie ist auch bei der Energieeinsparung ein Thema. Dr. Edith Claßen von den Hohensteiner Instituten deutete in ihrem Vortrag an, dass diese erhebliche Möglichkeiten zur Ressourcenschonung bietet, die Entwicklungen jedoch noch ganz am Anfang stehen und derzeit Tests mit Schutzbekleidung gemacht werden.

»High-Tech-Stoffe, die die Energiebilanz des Körpers im Gleichgewicht halten, tragen zum Wohlbefinden bei«, so Elke Lamberts-Steffes, Market Manager bei ADVANSA. Das Unternehmen ist Anbieter der Wärme regulierenden Stoffqualitäten Coolmax und Thermolite, die, so ihre Ausführungen, noch viel Potential bieten. Zur Fachtagung High-Tech-Textilen 2008 eingeladen hatten das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg zusammen mit dem Regierungspräsidium Stuttgart, Gesamtverband Textil + Mode e.V., Südwesttextil und Funktionstextilien Online.