Wie gelingt der Übergang von der linearen zur zirkulären Textilwirtschaft? Diese Frage stand im Fokus des 12. Internationalen Alttextiltags, der am 13. und 14. Mai 2025 im Le Méridien Stuttgart stattfand. Über 100 Fachleute aus Industrie, Verbänden und Politik, diskutierten auf Einladung des Fachverbands Textilrecycling (FTR) und des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) über neue regulatorische Anforderungen, innovative Recyclingtechnologien und die Einführung der Erweiterten Herstellerverantwortung (EPR). Mit dabei war auch der IVGT.
„Eine rein abfallwirtschaftliche Ausgestaltung greift zu kurz“, betonte Jonas Stracke, Ressortleiter Kreislaufwirtschaft beim Gesamtverband textil+mode. Vielmehr müsse ein EPR-System „bürokratiearm, kosteneffizient und praxisnah“ unter Einbindung der Branche gestaltet sein. Ziel sei es, wie bei Verpackungen oder Elektrogeräten, Hersteller in die Verantwortung für Rücknahme und Verwertung zu nehmen. Der Koalitionsvertrag sieht eine gesetzliche Verankerung bis Februar 2027 und eine operative Umsetzung bis Jahresende 2027 vor – eine ambitionierte Frist, wie viele Redner betonten.
Deutliche Worte kamen auch vom europäischen Dachverband EuRIC. Dessen Vertreter Philippe Doliger und Antoine Stilo mahnten die konsequente Umsetzung der EU-Textilstrategie an. Die geplanten Ökodesign-Verordnungen, Produktpässe und einheitlichen End-of-Waste-Kriterien müssten an den Realitäten kleiner und mittlerer Unternehmen ausgerichtet werden. Besorgt äußerten sie sich zur ab 2027 geltenden EU-Abfallverbringungsverordnung, die textile Exporte in Nicht-OECD-Länder faktisch einschränkt – mit gravierenden Folgen für bestehende Absatzmärkte.
Neben der politischen Debatte zeigte die Veranstaltung konkrete Innovationen aus der Praxis:
Das Münsteraner Unternehmen Eeden GmbH entwickelt chemische Verfahren zur Trennung von Baumwoll-Polyester-Gemischen und investiert 18 Millionen Euro in eine Pilotanlage. Matterr GmbH aus Braunschweig präsentierte Depolymerisationstechnologien für sortenreines Polyesterrecycling. Turns GmbH wiederum kombiniert digitale Rückverfolgbarkeit mit Rücknahmesystemen – etwa für Haushaltsprodukte beim Händler dm.
Ein weiterer Programmpunkt widmete sich der komplexen Herausforderung Sneaker-Recycling. Eine vom PFI Pirmasens durchgeführte Studie im Projekt ReProcessShoe zeigte: Die sortenreine Verwertung ist derzeit kaum möglich. Trotzdem entstehen erste zirkuläre Modelle, wie etwa beim Laufschuh Nimbus Mirai von ASICS.
Für fundierte Recyclingentscheidungen braucht es Daten: Die neue bvse-Alttextilstudie setzt erstmals auf Nahinfrarotspektroskopie zur großflächigen Materialanalyse. Ziel ist es, die Basis für hochwertiges Faser-zu-Faser-Recycling zu stärken und die Wirksamkeit von Ökodesign-Vorgaben messbar zu machen.
In der abschließenden Podiumsdiskussion wurde deutlich: Steuerliche Anreize, gezielte Förderprogramme und mehr Transparenz bei Sammelmengen sind ebenso nötig wie ein kultureller Wandel. „Was heute als Abfall gilt, muss morgen Ressource sein“, so das Fazit von bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock.
Der 13. Internationale Alttextiltag findet am 10. und 11. Juni 2026 in Bad Neuenahr statt.
Bilder:
Bild1: v.l.n.r. bvse-Referent für den FV Textilrecycling, Thomas Fischer, Antoine Stilo (EuRIC), Philippe Doliger (EuRIC) und bvse-Rechtsreferentin Sara Staudt. (Foto: bvse)
Abb. 1: Die Textilrecycling – Branche in Deutschland (Quelle: FTR)
Abb.2: EPR – Darstellung einer möglichen Herstellerverantwortung (Quelle: t+m)
Der Meldung angehängte Datei(en)
Abbildung 1: Textilrecycling
Abbildung 2: ERP-Darstellung
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