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Gebr. Otto und Recycling Atelier tüfteln an Garn aus abgelegten Textilien
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Baumwollfeld vor der Haustür - Gebr. Otto und Recycling Atelier/ITA Augsburg tüfteln an Garn aus abgelegten Textilien

Ein Baumwollgarn, das zur Hälfte aus Alttextilien besteht: Daran arbeiten die Dietenheimer Spinnerei Gebr. Otto und das Recycling Atelier des ITA Augsburg. Der Rohstoff, der sie beschäftigt, gedeiht in Deutschland prächtig: Rund 1,6 Millionen Tonnen Alttextilien kommen jedes Jahr zusammen, Tendenz steigend. Die jährliche Erntemenge von Baumwolle bleibt hingegen seit Jahren konstant. Baumwollanbau erfordert außerdem viel Wasser und Energie und ist nur unter den passenden klimatischen Bedingungen möglich. Ein Garn aus benutzten, abgelegten Textilien, sogenannte Post-Consumer (PCR)-Baumwolle, bringt eine deutlich bessere Umweltbilanz mit. Das Entwicklungsprojekt wird seit diesem Herbst durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert.

Wachsendes Baumwollfeld direkt vor der eigenen Haustür
Als Baumwollspinnerei kennt sich Gebr. Otto mit der jährlichen Ernte von Rohbaumwolle aus: In den vergangenen 20 Jahren pendelte diese relativ konstant zwischen 100 und 120 Millionen Ballen. Allzu viel Luft nach oben gibt es nicht, erklärt Otto-Geschäftsführer Andreas Merkel: „Anbaufläche, Wasser und die passenden klimatischen Bedingungen sind limitierende Faktoren.“
Gleichzeitig wächst ein „Baumwollfeld“ direkt vor unserer eigenen Haustür unaufhaltsam: Alttextilien. Rund 1,6 Millionen kommen jedes Jahr allein in Deutschland zusammen. Rund 20 Tonnen Textilien kann ein großer Lastwagen transportieren. Um 1,6 Millionen Tonnen zu bewegen, wären also rund 80.000 Lkws nötig. Die entsprechende Fahrzeug-Schlange wäre mehrere tausend Kilometer lang.

Zu wertvoll für die Tonne
Keine Frage – Deutschland ist ein rohstoffreiches Land, dank seiner Alttextilien. Bisher bleibt dieses Ressourcenreservoir noch schlecht genutzt, wie Dr. Georg Stegschuster, Leiter des Recycling Ateliers des Instituts für Textiltechnik in Augsburg (ITA) erläutert: „Derzeit landen knapp dreiviertel der 1,6 Millionen Tonnen Alttextilien auf der Deponie oder werden verbrannt. Gerade mal ein Prozent der Alttextilien kommt in einem geschlossenen Kreislauf, das heißt, aus einem alten Shirt wird ein neues. Unser Ziel muss es sein, diesen Anteil deutlich zu erhöhen“, betont Stegschuster

Ähnlich sieht das Gebr. Otto – und zahlreiche weitere Textilunternehmen in Deutschland: In der Dietenheimer Spinnerei treffen regelmäßig Anfragen von Kunden ein, die maßgeschneiderte Kreislauflösungen suchen, für technische Garne genauso wie für Baumwolle.

Nicht so schnell das Handtuch wegwerfen
Das Projekt, das Gebr. Otto nun mit dem Recycling Atelier des ITA angeht, befasst sich mit dem Otto-Leitprodukt: Baumwolle. Gesucht wird eine Kreislauflösung für ein Handtuch. Aus ausgedienter Frottierware sollen erneut Fasern gewonnen und diese zu einem Baumwollgarn versponnen werden. Am Ende soll ein neues Handtuch entstehen.

Seit Frühsommer 2024 arbeiten die Projektpartner daran, ein sogenanntes PCR-Baumwollgarn herzustellen. PCR steht für Post-Consumer-Recycling, also von ausgedienten, benutzten Textilien. Dieses Garn soll zur Hälfte aus wiederaufbereiteten Fasern bestehen und eine mittlere Feinheit aufweisen, wie sie für ein Handtuch ideal ist.

Hand(tuch)feste Vorteile
Eine Machbarkeitsstudie des Recycling Ateliers hat ergeben, dass ein solches Garn technisch zu realisieren ist. Die Augsburger Textilexperten haben außerdem dargestellt, wie groß die wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile eines solchen Garns aus PCR-Baumwolle sind. Georg Stegschuster erklärt: „Um Baumwolle anzubauen, braucht es sehr viel Wasser. Im Durchschnitt fließen 10.000 Liter Wasser in ein Kilo neuer Baumwollfasern. Arbeiten wir ausschließlich mit wiederaufbereitete Baumwollfasern, liegt der Wasserverbrauch bei einem Bruchteil dessen: bei 600 Litern.“

Weitere Vorteile sind in punkto Energieverbrauch und CO2- Äquivalenzwert zu erwarten. Bei einem recycelten Baumwollgarn, das ausschließlich auf Alttextilien basiert, liegen die Werte bei einem Zehntel dessen, was für ein neues Baumwollgarn nötig wäre.

Mit diesen Ergebnissen konnte sein Institut auch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt überzeugen, die das Projekt seit Herbst dieses Jahres für zwölf Monate fördert.

Potenzial trifft Praxis
Derzeit entwickelt und verfeinert die Projektgruppe die notwendigen Prozesse. Am Anfang steht das mechanische Textilrecycling: Dazu gehören insbesondere das Schneiden und Reißen des ausgedienten Textils, damit neue Fasern entstehen können. Ein weißes Handtuch ist ein sortenreines Produkt, und lässt sich vergleichsweise leicht in seine Einzelteile zerlegen.
Gebr. Otto entwickelt die entsprechende Spinnereivorbereitung und den Prozess zum Verspinnen der recycelten Fasern. Die weisen andere Eigenschaften auf als neue Rohware. Insbesondere sind die recycelten Fasern deutlich kürzer. Sie haben eine andere Oberflächenstruktur und dadurch andere Haft- und Gleiteigenschaften als die neue Rohware, mit der sie beim Spinnen kombiniert werden.

Die ersten Tests sind gut verlaufen. Andreas Merkel: „Wir gehen davon aus, dass wir mit unserer Mischung in der geforderten Feinheit ein gutes Ergebnis erreichen.“ Wie die Neuentwicklung am Ende bei den Kunden ankommt, hängt von ihrer Qualität ab und wie sie zu verarbeiten ist. „Da darf sich ein Garn mit hohem Recyclinganteil nicht von einem Baumwollgarn aus 100 Prozent neuen Rohstoffen unterscheiden.“

recot2 als Vorbild
Der Otto-Geschäftsführer weiß, wovon er spricht: Seit mehr als zehn Jahren hat Gebr. Otto sein recot2-Garn im Portfolio. Es besteht zu 25 Prozent aus recycelter und zu 75 Prozent Virgin-Bio-Baumwolle. Aufs fertige Textil gesehen sparen recot2-Textilien pro Kilo 5.000 Liter Wasser ein. Zum Einsatz kommen recot2-Garne bei namhaften Wäsche- und Bekleidungsherstellern. Es verhält sich, so die Kunden, nicht anders als ein Baumwollgarn aus neuen Fasern. Beim wiederverwerteten Material handelt es sich bei recot2 um pre-consumer Abgänge, also Webkanten und Spulenreste.

Eine Lehre hat Gebr. Otto aus der Markteinführung von recot2 mitgenommen: „recot2 haben wir seit 2009 im Portfolio“ berichtet Andreas Merkel. Und: „Die große Nachfrage sehen wir jedoch erst seit fünf bis zehn Jahren.“ Dass Garne aus PCR-Baumwolle nachgefragt werden, dessen sind sich die Dietenheimer Spinner sicher. „Möglicherweise“, so Merkel, „brauchen wir auch hier einen längeren Atem.“

Über das Recycling Atelier des ITA Augsburg
Das Recycling Atelier ist eine Initiative des Instituts für Textiltechnik Augsburg und der Technischen Hochschule Augsburg. Es besteht seit 2022 und hat sich zum Ziel gesetzt, Fortschritte im mechanischen Textilrecycling zu erzielen. Das Team arbeitet an ganzheitlichen Lösungen, die die verschiedenen Schritte des Textilrecyclings vom Sortieren, über das Reißen und die Neuverarbeitung durch Spinnen oder Vliesherstellung neu denken. Außerdem arbeiten die Ingenieure an Konzepten, die Recycling bereits in die Produktentwicklung einbeziehen (Design 4 Recycling). Bei der industriellen Umsetzung der Lösungen wird das Recycling Atelier durch namhafte Firmen entlang der gesamten Prozesskette unterstützt. Das Recycling Atelier versteht sich außerdem als Lernfabrik und Weiterbildungsstätte im Bereich des Textilrecyclings.

Über Gebrüder Otto
Das Unternehmen Gebrüder Otto mit Sitz im oberschwäbischen Dietenheim ist ein europaweit führender Anbieter von textilen Lösungen. Traditionell liegt der Schwerpunkt des Unternehmens auf hochwertigen Garnen und Zwirnen aus Baumwolle, die in der eigenen Garnspinnerei, Zwirnerei und Färberei hergestellt werden. Daneben bietet Otto an seinen zwei Standorten Balzheim und Dietenheim ein kontinuierlich wachsendes, kundenindividuelles Portfolio an technischen und medizinischen Garnen und Textilien an. Besonderen Wert legt Gebrüder Otto auf Nachhaltigkeit, vorausschauende Lösungen und 100-prozentige Kundenorientierung. Eigenmarken wie Piumafil und recot² belegen diesen Anspruch, ebenso wie eine Vielzahl an Auszeichnungen und Zertifizierungen.

Gegründet im Jahr 1901 ist Gebrüder Otto bis heute ein inhabergeführtes Familienunternehmen. Mit etwa 160 Mitarbeitern hat Otto 2023 einen Umsatz von rund 30 Mio. Euro erwirtschaftet.


Bild: Das Projekt von Gebr. Otto und dem ITA Recycling Atelier hat eine Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt erhalten. Vertreter von Gebr. Otto haben anlässlich des Projektstarts das Recycling Atelier in Augsburg besucht. Foto: Gebr. Otto