1
Das Sneaker-Experiment
 Zur Auswahl zurückkehren News 
Kann man einen Schuh entwickeln, der dabei hilft, Textilmüll in Afrika aufzuräumen? Die Sneakerjagd geht in die nächste Runde – mit einer radikal konstruktiven Produktentwicklung.

Das Medien-Startup Flip setzt das Rechercheprojekt Sneakerjagd fort und entwickelt gemeinsam mit dem nachhaltigen Schuhhersteller Monaco Ducks einen Sneaker, der dabei helfen soll, Textilmüll in Afrika aufzuräumen. Dazu sollen nicht mehr nutzbare Sneaker in Kenia gesammelt und zu einem Granulat verarbeitet werden, aus dem neue Sohlen entstehen. Partner vor Ort ist das kenianische Recycling-Startup Africa Collect Textiles (ACT). Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von der Fakultät Textil & Design der Hochschule Reutlingen.

Die investigativen Recherchen der Sneakerjagd haben Ende 2021 für Furore gesorgt und rund zehn Millionen Menschen erreicht. Für das Projekt verwanzten Reporter:innen alte Sneaker von Prominenten mit GPS-Trackern und entsorgten sie auf verschiedenen Wegen. Die getrackten Sneaker führten die Reporter:innen unter anderem bis auf illegale Mülldeponien in Kenia. Sie konnten so zeigen, dass alte Sneaker in Afrika die Umwelt vermüllen und die großen Hersteller sich um das Problem nicht kümmern.

Die Sneakerjagd enthüllte etwa, dass Nike sein Nachhaltigkeitsprogramm „Nike Grind“ dazu nutzt, neuwertige Schuhe und Retouren zu schreddern und das als Recycling zu vermarkten. Eine fachgerechte Entsorgung von Schuhen, die in Afrika ihr Lebensende erreicht haben, findet indes nicht statt. Konzepte, dieses Problem konstruktiv anzugehen liegen bisher weder auf politischer noch auf unternehmerischer Ebene vor

Ausgehend von der investigativen Recherche hat Flip jetzt eine lösungsorientierte Produktentwicklung angestoßen. In Kenia, dort, wo die Sneakerjagd auf einer apokalyptischen Müllhalde endete, sollen nicht mehr nutzbare Sneaker gesammelt und zu einem Granulat geschreddert werden, das dann in neuen Mittelsohlen verarbeitet wird. Dadurch sollen alte Sneaker am Ende ihres Lebenszyklus nicht in der Umwelt oder auf illegalen Mülldeponien landen, sondern zum Ausgangsmaterial eines neuen Recycling-Sneakers werden. Ein derartiges Recycling von „Post Consumer Waste“ im Sneakerbereich gibt es bisher nicht.

Ein Pfandsystem soll zudem dafür sorgen, dass die Sneaker nach ihrer Nutzung zurückgegeben und erneut recycelt oder schließlich nach europäischen Standards fachgerecht entsorgt werden. Der Recycling- Sneaker soll außerdem perspektivisch in schrittweise wachsender Wertschöpfungstiefe vor Ort in Kenia entstehen. Der ökologische und soziale Impact des Projekts wird dabei fortlaufend unabhängig evaluiert.

Das Projekt soll außerdem eine breite Öffentlichkeit über Probleme, aber auch Lösungen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Textilindustrie aufklären und zur Nachhaltigkeitsbildung beitragen. Deshalb begleiten Journalist:innen die Entwicklung des Recycling-Sneakers von Anfang an. Ziel ist es, in einem journalistischen Selbstversuch transparent und mitreißend über die Suche nach konkreten Lösungen zu berichten – und so den ersten, investigativen Teil der Sneakerjagd im Sinne des Konstruktiven Journalismus fortzusetzen.

Noch sind viele Fragen offen: Wie genau werden die Sneaker in Kenia vor der Müllkippe gerettet und zu Granulat verarbeitet? Wie muss ein möglichst nachhaltiger Oberschuh designt werden? Wie könnte ein Pfandsystem aussehen, das erneutes Recycling und schließlich umweltgerechte Entsorgung sicherstellt? Über all diese Herausforderungen, über Rückschläge wie Fortschritte soll offen und transparent berichtet werden, um das Publikum an der Entwicklung teilhaben zu lassen.

Am Ende der lösungsorientierten Produktentwicklung soll der Prototyp eines überprüfbar nachhaltigen Recycling-Sneakers stehen, der dazu beiträgt, Textilmüll in Afrika aufzuräumen. Mit Fertigstellung eines solchen, unabhängig evaluierten Prototyps endet die journalistische Berichterstattung. Im Anschluss soll die gefundene Lösung dann als Impact-Produkt vermarktet werden. Um Markteinführung und Fertigung zu finanzieren, ist ein Crowdfunding geplant.

Der Beginn der seriellen und crossmedialen Berichterstattung ist für den Spätsommer geplant. Unter http://www.sneaker-experiment.de kann man sich für den Newsletter zum Projekt anmelden.

Die Projektpartner
Flip ist ein Medien-Startup, das nicht bei der Recherche von Problemen stehenbleibt, sondern auch konkrete Lösungen entwickelt und transparent darüber berichtet. Auf Basis der investigativen Sneakerjagd-Recherche hat Flip eine lösungsorientierte Produktskizze entworfen: Ein Recycling-Sneaker, der den Stoffstrom umdreht und dabei hilft, Textilmüll in Afrika aufzuräumen. Flip wird im Projekt Anforderungsgeber für das Produkt sein und die journalistische Berichterstattung übernehmen.

Monaco Ducks (MD) verfolgt seit Gründung das Ziel, das erste kreislauffähige Schuhunternehmen der Welt aufzubauen. Primär arbeitet MD am ersten kreislauffähigen Sneaker und ist dazu mit wichtigen Stakeholdern der Branche vernetzt. Monaco Ducks wird im Projekt die Design-, Prototypen- und produktionsvorbereitenden Aufgaben übernehmen.

Africa Collect Textiles (ACT) ist ein Social-Impact-Startup, das sich zum Ziel gesetzt hat, Sammel- und Recyclingstrukturen für Textilien und Schuhe in Afrika aufzubauen und so Textilmüllimporten entgegenzutreten. Bisher ist ACT in Nairobi, Kenia und Lagos, Nigeria vertreten. ACT übernimmt im Projekt die Aufgabe, die Ausgangsmaterialien zu sammeln und möglichst viel Wertschöpfung vor Ort zu entfalten.

Die Fakultät Textil & Design der Hochschule Reutlingen (HSRT) ist seit über 165 Jahren in der Forschung und Lehre für die Textilbranche fest verankert und gilt nicht zuletzt durch das neu entstehende Innovationszentrum TEXOVERSUM als Leuchtturm der Branche. Die Forschungsgruppe Nachhaltigkeit & Recycling war an zahlreichen F&E Projekten zu den Themen nachhaltige Produktentwicklung, Recycling und Kreislaufwirtschaft beteiligt. Als Forschungspartner wird die HSRT das Sneaker-Experiment wissenschaftlich begleiten und ihre Expertise in den Bereichen technische Beratung, Nachhaltigkeitsbewertung, Produktentwicklung und Recycling einbringen.