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Das EU-Lieferkettengesetz: Für einen sozialen und ökonomischen Wandel
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Das EU-Sorgfaltspflichtengesetz soll demnächst auf den Weg gebracht werden. Es könnte umfassender ausfallen als das deutsche Vorhaben. Denn es betrifft auch kleine und mittlere Unternehmen, wenn die Gefahr von ihnen ausgeht, Menschen- und Umweltschutzgesetze zu verletzen. Das EU-Gesetz stuft die Textilbranche als Risikobranche ein. Was bedeutet das für Hersteller von PSA? Welche Rolle spielen die Abnehmer?

In Deutschland ist noch vor der Sommerpause mit der Verabschiedung des Lieferkettengesetzes durch den Bundestag zu rechnen. „Das ist ein starkes Signal für die EU“, sagt Veronika Ertl, Referentin für Entwicklungspolitik bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. „Deutschland ist nicht nur eine große Wirtschaftsmacht, sondern nach Frankreich und den Niederlanden das dritte EU-Land, das ein verbindliches Instrument etabliert, um entlang der Wertschöpfungskette Risiken für Mensch und Umwelt zu identifizieren und die Nichteinhaltung von Sorgfaltspflichten zu sanktionieren.“

Nach Deutschland will die EU nachziehen
Laut einer Studie von 2020 kommt nur eines von drei Unternehmen in der EU tatsächlich seinen Sorgfaltspflichten nach. Aber rund 70 Prozent der befragten Unternehmen unterstützen EU-weite Sorgfaltspflichtvorschriften. Deswegen sah es auch die EU als dringlich an, ein solches Gesetz aufzusetzen. Der verantwortliche EU-Justizkommissar Didier Reynders findet, dass die Verabschiedung des deutschen Sorgfaltspflichtengesetz dem europäischen Vorhaben Rückenwind gibt: „Je mehr Länder mitmachen, desto mehr steigt der Druck.“

In der EU sollen verbindliche Regeln Unternehmen dazu verpflichten, ihre Wertschöpfungskette vom Rohstoff bis zum verkaufsfertigen Produkt zu überprüfen. Dazu gehören Betriebsabläufe, direkte und indirekte Geschäftsbeziehungen sowie Investitionsketten. Abgestellt werden müssten alle Aspekte, die gegen Menschenrechte, einschließlich sozialer, gewerkschaftlicher und arbeitsrechtlicher Rechte, Umweltstandards und Klimaziele sowie „Good Governance“ verstoßen könnten. Damit sollen vor allem Geschädigte in Drittländern geschützt werden. Diese Regeln gelten für alle im EU-Binnenmarkt tätigen Unternehmen, unabhängig von deren Größe. Nachdem das EU-Parlament Vorschläge gemacht hat, wird ein Gesetzesentwurf der EU-Kommission im Juni 2021 erwartet. Danach müssen sich dann EU-Parlament, Kommission und Rat im sogenannten Trilog auf eine endgültige Fassung einigen. Damit dürfte nächstes Jahr zu rechnen sein.

Schluss mit Kinder- und Zwangsarbeit
Während nach dem deutschen Gesetzesvorhaben Unternehmen bei mittelbaren Zulieferern nur aktiv werden müssen, wenn sie Hinweise auf Verstöße gegen die Menschenrechte erhalten haben, fasst das EU-Parlament die Sorgfaltspflichten weiter. So sollen alle Unternehmen selbständig mögliche Risiken in der gesamten Lieferkette analysieren. Das gilt nicht nur für den eigenen Geschäftsbereich und direkte Zulieferer, sondern auch bei Tochterunternehmen und mittelbaren Zulieferern. Außerdem soll es ein Importverbot für Produkte geben, die mit Zwangsarbeit in Verbindung stehen.

In Deutschland gilt das Lieferkettengesetz ab 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern; ein Jahr später dann auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle wird die Einhaltung kontrollieren und bei Verstößen sanktionieren.

Mit Bußgeldern und Ausschlüssen muss gerechnet werden
Auch wenn es noch länger hin scheint und die meisten Hersteller von Schutzkleidung in Deutschland gar nicht die Unternehmensgröße von mehr als 1.000 Mitarbeitern erreichen, sind sie doch mittelbar betroffen. „Etwa, wenn sie mit Abnehmern wie den großen Discountern zusammenarbeiten“, sagt Thomas Lange, Hauptgeschäftsführer des Modeverbandes German Fashion. „In diesem Fall übernimmt das kleine Unternehmen durch die Zusammenarbeit quasi die Anforderungen des großen Geschäftspartners.“ Außerdem übe eine gesetzliche Manifestierung allgemein Druck auf Unternehmen aus.

„Die neuen Gesetzesvorhaben betreffen jeden, alle sollten sich damit beschäftigen“, erklärt Lange. Denn auch wenn im deutschen Lieferkettengesetz keine neuen zivilrechtlichen Haftungsregelungen geschaffen wurden, können sich betroffene Mitarbeiter, auch aus den Produktionsländern, beschweren. Das Unternehmen muss dann prüfen, ob eine Rechtsverletzung im eigenen Geschäftsbereich oder bei einem Zulieferer vorliegt. Geschädigte können sich außerdem von NGOs bei ihrer Klage unterstützen lassen.

Sind die Gesetze einmal gültig, muss mit Strafen gerechnet werden. „Bußgelder sollen in Deutschland zwischen 100.000 und 800.000 Euro liegen. Bei Unternehmen mit mehr als 4 Mrd. Euro Umsatz sollen sie weltweit bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes reichen“, sagt Veronika Ertl. Es droht außerdem ein Ausschluss von öffentlichen Vertragsvergaben von bis zu drei Jahren.

Umfangreiche Dokumentationspflicht, elektronische Berichtsformate
Die Bundesregierung will Unternehmen bei der Umsetzung des Gesetzes helfen. Die zuständigen Behörden arbeiten mit einem elektronischen Berichtsformat, in den bestehende Berichtspflichten wie die CSR-Berichterstattung integriert werden. Es soll außerdem ein Anerkennungsmechanismus für bestehende Zertifizierungssysteme geben. „Die Dokumentationspflicht wird umfangreicher“, erklärt Lange. „Aber viele Firmen sind bereits auf dem Weg dahin, wo uns das Gesetz hinführt, oder sie sind schon am Ziel.“

Das zeigt sich an einem Unternehmen wie Bierbaum Proenen. Beim Kölner Hersteller für Arbeitsschutzkleidung gehören soziale und ökologische Nachhaltigkeit zum Profil. Wie auch andere mittelständische Unternehmen pflegt BP lange, transparente Beziehungen zu den Lieferanten. „Seit 2010 sind wir Mitglied der Fair Wear Foundation, seit 2019 von Fair Trade“, erzählt Geschäftsführer Harald Goost. Der Aufwand für die Zertifizierung sei hoch. „Allerdings“, so Fabian Kusch, verantwortlich für Einkauf und Nachhaltigkeit bei BP, „mussten wir für die Siegel nichts an unserem Habitus ändern, sondern lediglich die Dokumentation aufsetzen.“

Auf der eine Seite des Engagements stünden zwar erhöhte Kosten zum Bespiel für Bio-Baumwolle. Auf der anderen Seite aber habe man Verpackungsmaterial reduziert und spare dadurch. Außerdem gewinne man neue Kunden, die nach Produkten „mit gutem Gefühl“ suchen. Und es gibt noch ein Thema, das Goost sehr wichtig ist: die Attraktivität für Bewerber. Junge Leute wollten in Unternehmen arbeiten, mit denen sie sich identifizieren können.

Goost und Kusch sind sich einig: Durch ein Lieferkettengesetz wird sich die Kultur allgemein ändern. Sie sehen den Vorgaben gelassen entgegen. „Auch als kleinere und mittlere Unternehmen müssen wir die Wege bis zum Baumwollfeld zurückverfolgen und darstellen. Dazu sind wir aber auch aktuell schon in der Lage. Wir können alle Vorgänge bis hin zu unseren Vor-Vorstufen transparent abbilden.“

Nachhaltige Hilfe zur Selbsthilfe
Um schneller mehr zu erreichen, haben sich BP, Greiff, Kübler Workwear, Weitblick Gottfried Schmidt und der Gewebeproduzent Klopman International 2019 zusammengetan und das Supporting Fairtrade Cotton-Projekt ins Leben gerufen. Es fokussiert Menschen am Anfang der Wertschöpfungskette, die Baumwolle anbauen und ernten. Für sie bedeutet die Kooperation gerechte Handelsbedingungen, sozialer Wandel und Verbesserungen im Umweltschutz. Um die strengen Vorgaben einhalten zu können, erhalten die Bauern Fairtrade-Prämien – als Hilfe zur Selbsthilfe. Die können sie beispielsweise in Straßenbau, Aufforstung oder Bildung investieren. „Solche Projekte unterstützen die Wertschöpfung vor Ort. Das ist ein wichtiges Ziel“, sagt Ertl.

Ein europäisches Sorgfaltspflichtengesetz begrüßt die Firma Bierbaum Proenen. „Durch ihr Nachhaltigkeitsengagement arbeiten entsprechende Unternehmen schon seit Jahren mit höheren Preisen. Der Markt wird immer ungleicher und deswegen ist ein EU-Gesetz gut. Das verbessert auch die Bedingungen der Zusammenarbeit mit Ländern wie Indien, China und Pakistan. Denn mit denen werden wir uns auf die Dauer schwertun, wenn nur wir in Deutschland ein solches Gesetz haben.“

Weitere Informationen unter:
https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20210122IPR96215/lieferketten-unternehmen-fur-schaden-an-mensch-und-umwelt-verantwortlich

https://www.bmz.de/de/themen/lieferkettengesetz/lieferkettengesetz-fragen-und-antworten.pdf

https://lieferkettengesetz.de/

https://www.siegelklarheit.de/


Bild: Näherinnen in einer GOTS-zertifizierten Fabrik © Global Organic Textile Standard
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