Südwesttextil-Umfrage: Optimismus-Bremse nach bester Lage seit über zehn Jahren
„Gebremst optimistisch“ bewertet die baden-württembergische Textil- und Bekleidungsindustrie durchschnittlich die aktuelle Geschäftslage zum ersten Halbjahr 2017. Sie ist nach einem Zehn-Jahres-Hoch von 26 Punkten im April auf ein mittleres positives Maß von 15 Punkten zurückgegangen. Und – die Auftragseingangs-Indizes gehen bei Textil nach oben, bei Bekleidung nach unten. Das geht aus dem aktuellen Geschäftsklimaindex des Wirtschafts- und Arbeitgeberverbands Südwesttextil hervor, der heute in Stuttgart von Verbandspräsident Bodo Th. Bölzle vorgestellt wurde. Zu den befragten Unternehmen gehört die gesamte textile Kette: Spinnereien, Webereien, Veredlungsbetriebe ebenso wie Hersteller von Vorprodukten für die Automobil- oder Bauindustrie, von Medizinischen Textilien, Bekleidung, Heimtextilien oder auch Bettwaren.
Nach einem guten 1. Quartal 2017 mit einem Index von 21 Punkte hat sich das Geschäftsklima in der baden-württembergischen Textil- und Bekleidungsindustrie in den Monaten April, Mai und Juni mit 16 Punkten solide gehalten. Das drückt sich auch in der Einschätzung der aktuellen Lage aus. 69 Prozent der befragten Unternehmen beurteilen ihre Kapazitätsauslastung als gut. Das sind 10 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des letzten Jahres. Nachgegeben haben dagegen die Inlandsumsätze. Im 1. Quartal beurteilten noch 47 Prozent der Befragten diese mit „gut“, im 2. Quartal jedoch nur noch 40 Prozent. Eklatant ist die Veränderung derer, die ihren Inlandsumsatz mit „schlecht“ bewerten: Waren im 1. Quartal nur 2,5 Prozent unzufrieden, sind es jetzt 20 Prozent. Das zeigt ein nahezu identisches Bild zum Vorjahreszeitraum.
Die Unternehmen spüren die angespannte internationale politische Lage: Waren im letzten Quartal nur bei 5 Prozent der Befragten ihre im Ausland getätigten Umsätze rückläufig, so sind es jetzt 13 Prozent. Ebenso Grund zur Sorge bereitet die Ertragslage: Waren im 1. Quartal noch insgesamt 92 Prozent mit ihr zufrieden, 17 Prozent bewerteten sie sogar als „gut“, sind es jetzt nur noch 72 Prozent. Das sind 10 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum des letzten Jahres.
Doch die Prognose für das zweite Halbjahr ist positiv. So rechnen die Unternehmen mit steigenden Inlandsumsätzen sowie mit weiteren Aufträgen. Erwarteten 2016 nur 30 Prozent eine Zunahme der Auftragsbestände, so sind es in diesem Jahr 40 Prozent.
„Die Textil- und Bekleidungsindustrie befindet sich in einem weiteren revolutionären Wandel – quasi im Sturm von Textil 4.0.“, so Bölzle. „Die Bekleidungssparte muss sich auf massive Konsumveränderungen einstellen. Zwei Drittel der Deutschen kaufen ihre Kleidung mittlerweile online, das spürt der stationäre Handel. Starke Marken sind aber nach wie vor gut aufgestellt. Riesige Chancen bieten sich den technischen Textilien. Egal um welche großen Themen es geht – Digitalisierung, E-Mobilität, Umweltschutz, Gebäude und Straßen von morgen, demografischer Wandel und Gesundheit einer alternden Gesellschaft – Textil hat auf all diese Herausforderungen Antworten. Wir sind hier einer der beiden Weltmarktführer, auf Platz 2 hinter China.“
Der Weltmarkt für faserbasierte Werkstoffe und technische Textilien hat ein Volumen von 163 Mrd. US-Dollar. Laut einer Prognos-Studie, die Südwesttextil im Frühjahr hat anfertigen lassen, haben deutsche Unternehmen 2015 mit faserbasierten Werkstoffen und technischen Textilien rund 23,5 Mrd. Euro umgesetzt, 4,2 Mrd. Euro davon gingen auf das Konto von Unternehmen aus Baden-Württemberg.
„Der Erfolg wird einem nicht geschenkt. Bei allen Chancen sehen wir auch Risiken. So zeigt sich: Einzelhandels- und endkundenorientierte Hersteller bewerten die Lage schwieriger als jene, die Industriezulieferer sind. Und: Die multiplen internationalen Krisenherde dämpfen die Stimmung im Außenhandel. Darüber hinaus macht unser Erfolg andere Regionen neugierig und ebenso erfinderisch. Wirtschaft und Politik müssen daher erkennen: Die Förderung textiler Technologien ist die Förderung einer Perle,“ appellierte der Südwesttextil-Präsident.
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