Der Himmel über Berlin zeigte sich am 13. April von seiner schönsten Seite und gab einen Vorgeschmack auf ein rundum gelungenes MaxTex Forum, zu dem die Vereinigung MaxTex zum zweiten Mal in das 11. Obergeschoss des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geladen hatte.
Die Zahl der Teilnehmer aus allen Bereichen der Textilwirtschaft, Verbänden, Wissenschaft und NGO`s hat sich gegenüber der Auftaktveranstaltung im vergangenen Jahr nahezu verdoppelt. Das „textile“ Forum kann bereits jetzt als repräsentative Multi-Stakeholder Veranstaltung bezeichnet werden.
Das Leitthema in diesem Jahr: „Wie machen wir die nachhaltige textile Wertschöpfungskette dem Endkunden begreifbar?“
Otto Group – ein Unternehmen zeigt sich umwelt- und sozialverträglich
Nach Begrüßung durch MaxTex Präsident Ralf Hellman und Geschäftsführer Gerhard Becker übernahm Andreas Streubig, Bereichsleiter Nachhaltigkeitsmanagement der Otto-Group, den Einstieg zu den Fachthemen und einem prall gefüllten Tagesprogramm.
Der spannende Vortrag gab den Blick frei auf die einzige weltweit agierende Versandhandelsgruppe, die sich nicht nur allgemein dem Grundsatz der Nachhaltigkeit verschrieben hat, sondern von der Gewinnung der Ressourcen über ihre Verarbeitung zum fertigen Produkt und dessen Vertrieb bis hin zur Nutzung und Entsorgung durch den Konsumenten, Verantwortung für die gesamte Wertschöpfungskette übernimmt.
Dank klarer Analysen und einer darauf basierenden strategischen Ausrichtung kann sich bereits heute der Erfolg sehen lassen. Und nicht nur vor dem Hintergrund einer deutlichen Reduktion kostenmäßig bedingter Wettbewerbsnachteile kann davon ausgegangen werden, dass die hochgesteckten Ziele in sozialer wie ökologischer Hinsicht bis 2020 erfüllt werden können. MaxTex sieht bereits jetzt einen Beweis, dass durch erklärten Willen und eine klare strategische Ausrichtung Ökonomie, Ökologie und soziale Verantwortung in Einklang zu bringen sind.
Klinikeinkauf zwischen Ethik und Kostendruck
Unternehmen wie die Otto Group gehören immer noch zu den Ausnahmen. Dies zeigt ausgerechnet ein Beispiel aus dem öffentlichen Sektor und macht damit deutlich, wie es um das Thema Nachhaltigkeit in diesem Bereich wirklich bestellt ist. Mit klaren und ehrlichen Worten schilderte Verena Bache-Wittmar, zuständig unter anderen für den Einkauf des Klinikums Bremerhaven-Reinkenheide, den Alltag in der Klinikbeschaffung. Budgetzwänge und in der Welt der öffentlichen Ausschreibung kaum vorkommende Nachhaltigkeitskriterien lassen kaum Spielraum für Bio, fairem Handel und Co. Ein Bild, das - so viel Kritik sei an dieser Stelle erlaubt - nicht zu den Bekenntnissen vieler Politiker und Vertreter der öffentlichen Hand passt.
Als erfreulich kann die Dialogbereitschaft bezeichnet werden, die zumindest die bei MaxTex organisierten Unternehmen und Institutionen nutzen werden.
Unternehmensrisiken durch Vernachlässigung der Lieferkette steigen deutlich
Aus wissenschaftlicher Sicht schilderte Dr. Martin Schleper von der German Graduate School of Management & Law, wie bedeutsam eine nachhaltige Wertschöpfungskette für das Risikomanagement von Unternehmen ist.
Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Sussex untersuchte er die Frage, wie Unternehmen Nachhaltigkeit entlang der Wertschöpfungskette sicherstellen können, um am Ende gleich mehrfach zu profitieren: Eine positive Reputation bei Kunden und Stakeholdern, höhere Marktanteile in der gesamten Wertschöpfungskette und eine Absicherung des Unternehmens durch ein effektives Risikomanagement.
Einige von Dr. Schleper aufgezeigte Beispiele könnten durchaus als Warnung verstanden werden. Vorgelagerte Lieferanten beeinflussen die Unternehmensreputation in Fällen von Non-Compliance in gravierender und negativer Weise. Verantwortung zahlt sich daher offenbar aus.
Der neue Lifestyle „Grün“ kommt in der Hotellerie an
Wer weder durch wissenschaftliche Erkenntnisse noch Nachhaltigkeitsstrategien überzeugt werden kann, der wird sich möglicherweise durch Lifestyle überzeugen lassen. Die Hotellerie spielt in der Textilbranche eine wichtige Rolle - als direkter Partner und Kunde der Textilhersteller und eine der wichtigsten Kundengruppen des Textil Service.
Auf charmante Weise erläuterte Suzann Heinemann, Gründerin und Geschäftsführerin der GreenlineHotels und des Instituts für nachhaltige Entwicklung in der Hotellerie, die Entwicklung von einer Kooperation ländlicher Hotels zur Marke „GreenlineHotels“. Ein ernst zu nehmendes Zertifizierungssystem, dass sich zu einem der führenden Nachhaltigkeitssiegel in der Hotellerie entwickelt.
Der Vortrag machte deutlich, dass durch Offenheit und Transparenz - auf Seiten der Hotellerie wie auch bei den Gästen - ein zertifiziertes Wohlfühl-Gefühl zu vermitteln ist.
Mehrwert schaffen durch die Offenlegung von Nachhaltigkeitsfaktoren, ein Rezept, das sich auch für andere Branchen anbieten sollte.
Ohne Standards keine ehrliche Nachhaltigkeit
Eine der umfänglichsten und bedeutsamsten Standards in der textilen Lieferkette ist der Global Organic Textile Standard. Nur wenige Standards schaffen es, eine Umwelt- wie auch eine Sozial-Komponente im Textilsektor derart zu vereinen, wie es GOTS geschafft hat. Wer sich die textile Lieferkette anschaut, erkennt sehr schnell wie schwierig es ist, selbst eine einzige Komponente zuverlässig und überprüfbar abzubilden.
Herbert Ladwig, Managing Director von GOTS, schilderte in seinem Vortrag ausführlich die Schlüsselfunktion der Standards und die enorme Steigerung der Zahl durch GOTS zertifizierter weltweiter Produktionsstätten. Besonders herauszustellen ist dabei die konsequente Fokussierung auf Transparenz und Einbeziehung sämtlicher Prozessstufen. Eindeutiges Fazit: Ohne Standards wären kaum Verbesserungen der Sozial- und Umweltbedingungen in den Produktionsländern und kein funktionierendes Risikomanagement möglich.
Textil Service – Schlüsselfaktor und Vorbild für verantwortungsvolle Branchenpolitik
Martin Swierzy, Geschäftsführer Alsco Berufskleidungs-Service und Neumitglied bei MaxTex, ist wie viele in seiner Branche der Meinung, dass der Textil Service per se als ausgesprochen nachhaltig einzustufen ist. In einem in allen Punkten überzeugenden Plädoyer vermittelte er geschickt dieses Bild einer Branche, die es nicht nur schafft, Kreislaufwirtschaft hervorragend zu managen, sondern sich gleichzeitig hocheffizient im Umgang mit Ressourcen und Energie zeigt.
Auch auf die entscheidende Frage, wie viel der Textil Service dazu beitragen kann, einen deutlich höheren Anteil nachhaltig erzeugter Textilien im Bereich der Objekttextilien und im Berufskleidungssektor zu erlangen, hatte Martin Swierzy eine Antwort. Attraktive Berufskleidung aus recyceltem Polyester, Tencel oder Bio-Baumwolle, das alles ist bei Alsco bereits im Portfolio.
BMZ unterstützt nachhaltige Entwicklung durch begleitende Maßnahmen
Als Vertreter des BMZ erläuterte der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel ausführlich eine Reihe begleitender Maßnahmen des Ministeriums, vorwiegend auch in textilproduzierenden Ländern. Das Augenmerk liege dabei in der Bereitstellung finanzieller Mittel, die in enger Zusammenarbeit mit privaten Investoren und Behörden vor Ort zu Verbesserungen insbesondere der sozialen Rahmenbedingungen führen sollen, so Fuchtel. Immerhin stammen 80% dieser Mittel aus dem privaten Sektor.
Abschließend wünschte er MaxTex viel Erfolg für das weitere Engagement und bot weiterhin die Unterstützung des Ministeriums an.
Nicht nur gucken, sondern auch Anfassen und Begreifen
Begleitend zum Forum zeigten MaxTex Mitgliedsunternehmen unterschiedlichste Textilien aus nachhaltiger Produktion. Berufskleidung von Alsco und MIP Europe, Corporate Wear von Greiff Mode, Frottier und Hotelwäsche von Dibella und Ethische Gewebe von TDV Industries.
Einige der Gäste wussten nicht was mehr begeisterte, das hervorragende Fingerfood des BMZ oder die nachhaltigen Textilien der MaxTex Mitglieder zum „Begreifen“.